Weiterhin Blutkohle aus Kolumbien

(Pressemitteilung, 7.5.2024) Anlässlich der heutigen Hauptversammlung der EnBW kritisieren die Umwelt- und Menschenrechtsorganisationen Free Bruno, kolko – Menschenrechte für Kolumbien, FIAN Deutschland und der Dachverband der Kritischen Aktionärinnen und Aktionäre die anhaltende Ausrichtung des Energiekonzerns auf fossile Energieträger. Sie fordern von dem neuen Vorstandsvorsitzenden Georg Stamatelopoulos wirksamere Maßnahmen für den Klimaschutz und effektive Erfüllung der menschenrechtlichen Sorgfaltspflichten, insbesondere entlang der fossilen Steinkohle- und Gaslieferketten.

EnBW: Weiterhin Blutkohle aus Kolumbien

  • EnBW in Verantwortung für sozialökologisch gerechten und
    menschenrechtskonformen Kohleausstieg entlang der Lieferketten
  • Fossiler „Fuel Switch“: EnBW auch bei Gas ohne Blick für Menschenrechtsrisiken
  • Kritische Redebeiträge auf virtueller Hauptversammlung

Anlässlich der heutigen Hauptversammlung der EnBW kritisieren die Umwelt- und Menschenrechtsorganisationen Free Bruno, kolko – Menschenrechte für Kolumbien, FIAN Deutschland und der Dachverband der Kritischen Aktionärinnen und Aktionäre die anhaltende Ausrichtung des Energiekonzerns auf fossile Energieträger. Sie fordern von dem neuen Vorstandsvorsitzenden Georg Stamatelopoulos wirksamere Maßnahmen für den Klimaschutz und effektive Erfüllung der menschenrechtlichen Sorgfaltspflichten, insbesondere entlang der fossilen Steinkohle- und Gaslieferketten.

Auch 2023 hat EnBW über eine Million Tonnen Steinkohle aus Kolumbien bezogen, mehr als aus anderen Ländern. Die Kohleimporte dürften überwiegend von Drummond in Cesar und Cerrejón in La Guajira stammen, dem größten Tagebau Lateinamerikas, betrieben vom Schweizer Bergbauriesen Glencore. Der Bericht „Does Cerrejón always win?“ der Menschenrechtsorganisationen CINEP und Censat Agua Viva belegt einmal mehr eine Vielzahl an Menschen- und Umweltrechtsverletzungen im Zusammenhang mit dem Glencore-Tagebau Cerrejón. In Cesar wiederum hat Glencore seine beiden Tagebaue geschlossen, ohne seinen historischen Verpflichtungen gegenüber den vom Kohleabbau betroffenen Gemeinden nachzukommen und umfassende Wiedergutmachung zu leisten. Zudem steht das Unternehmen Medienberichten zufolge in Verdacht, Sicherheitsfirmen beauftragt zu haben um Gegner*innen seiner Geschäfte in Cesar ausspähen und einschüchtern zu lassen.

Der EnBW-Zulieferer Drummond wurde in Person seines aktuellen und eines früheren Geschäftsführers von der kolumbianischen Justiz wegen der mutmaßlichen Finanzierung paramilitärischer Gruppen angeklagt, darunter die Frente Juan Andrés Álvarez, die wohl für mindestens 3.100 Morde, 59.000 Fälle von Vertreibung und 240 Fälle von Verschwindenlassen zwischen 1999 und 2006 verantwortlich ist.

EnBW steht aufgrund bisher unwirksamer Maßnahmen gegenüber den umstrittenen Zulieferern, den Folgeschäden der Emissionen der Kohleverstromung und dem sich abzeichnenden Kohleausstiegs in dreifacher Verantwortung gegenüber den vom Kohleabbau betroffenen Gemeinden Kolumbiens.

Die indigene Umwelt- und Menschenrechtsaktivistin Jakeline Romero der Organisation Fuerza de Mujeres Wayuu, die Ende Februar 2024 unerwartet verstorben ist, hatte die Folgen der Wasserknappheit in La Guajira so beschrieben: “Tausende von Wayuu-Kindern sind in den letzten zehn Jahren gestorben. Die Behörden sprechen von ‘Todesfällen aufgrund von Mangelernährung’, aber sie sprechen nicht über die eigentliche Ursache, nämlich den Diebstahl des Wassers der Wayuu. Früher gab es Brunnen in La Guajira. Jeder hatte Tiefen von 30 bis 40 Metern, selbst in den trockensten Gebieten. Aber der Bergbau hat dazu geführt, dass der Grundwasserspiegel gesunken ist.”

Samuel Arregocés, sozialer Aktivist aus La Guajira und Ende April 2024 ebenfalls unerwartet verstorben, hatte die Situation so beschrieben: „Wir waren Gemeinschaften, die es geschafft hatten, uns der Sklaverei zu widersetzen. Wir kamen um 1820, 1830 hierher, und wir waren eine Handvoll Schwarzer Menschen von einem Schiff, das in der Nähe der Mündung des Ranchería-Flusses auf Grund gelaufen war. Wir widersetzten uns der Sklaverei, wir widersetzten uns dem Krieg, aber es gelang uns nicht, uns dem multinationalen Unternehmen zu widersetzen.“

Die kolumbianische Umweltorganisation Censat Agua Viva fordert: „Wir fordern EnBW auf, sich zu verpflichten, zu einem Prozess der Reparation und Entschädigung der vom Glencore-Kohletagebau betroffenen Gebiete beizutragen. Dazu muss Glencore die Stilllegung und Nachbergbauphase angemessen planen und bei der Finanzierung Aspekte der Umwelt-, Sozial- und Klimagerechtigkeit einbeziehen. Nur so können die Kosten der systematischen Menschenrechtsverletzungen und Umweltschäden durch den Kohleabbau vollständig erfasst und übernommen werden.”

Verena Lasso Mena, wissenschaftliche Mitarbeiterin der Technischen Universität Darmstadt, wird auf der Hauptversammlung der EnBW sprechen und kritisiert: “Die fortwährende Einfuhr kolumbianischer Kohle durch EnBW, trotz langjährig dokumentierter, schwerwiegender Menschenrechtsverletzungen und gravierender Umweltschäden sowie erheblicher Emissionen, ist nicht hinnehmbar. EnBW sollte nun die negativen Auswirkungen dieser fortbestehenden Geschäftstätigkeiten erkennen und verantwortlich reagieren. Ein dringlicher und nachhaltiger Rückzug aus der kolumbianischen Kohleindustrie bei gleichzeitig aktivem Einsatz für Umweltrehabilitation und soziale Entwicklung der betroffenen Regionen ist unabdingbar, um weiteren gewaltvollen Folgen der Kohleaktivitäten zu begegnen.”

Marian Henn, Referent für Lateinamerika bei FIAN Deutschland, erläutert: “Unser Protest richtet sich nicht nur an EnBW, sondern auch an die deutsche Bundesregierung und die Landesregierung Baden-Württemberg als Hauptaktionärin, die beide ihrer Verantwortung gerecht werden müssen. Wir können uns nicht auf globale Unternehmen verlassen, um soziale und nachhaltige Ziele zu erreichen. Profitiert von den Menschenrechtsverletzungen haben nicht nur die importierenden Energieunternehmen, sondern auch die hiesige Industrie und deutsche Haushalte. EnBW steht in der Pflicht zur Reparation und der deutsche Staat muss hierfür den Rahmen schaffen.”

Fossiler „Fuel Switch“: EnBW auch bei Gas ohne Blick für Menschenrechtsrisiken

Viel zu lange hat EnBW damit gezögert, die eigenen Pläne für den Kohleausstieg zu beschleunigen und zu konkretisieren. Doch die jetzigen Pläne laufen darauf hinaus, fossile Kohle durch fossiles Gas zu ersetzen und neue fossile Abhängigkeiten über den tatsächlichen Bedarf einer effektiven Energiewende zu schaffen.

Tilman Massa, Co-Geschäftsführer des Dachverbands der Kritischen Aktionärinnen und Aktionäre, kritisiert: “Klimaschädliche Emissionen langfristig in die vor- und nachgelagerten Wertschöpfungsketten zu verlagern statt einzusparen ist kein Klimaschutz, sondern Greenwashing. EnBW muss dringend auch die umwelt- und menschenrechtlichen Risiken der LNG-Lieferketten adressieren.”

EnBW hat mit Venture Global LNG zwei langfristige LNG-Abnahmeverträge mit einer Laufzeit von 20 Jahren ab 2026 abgeschlossen, die sogar noch verlängert werden könnte. Diese lange Laufzeit ist ein Skandal: bis 2046 geht über den Stichtag für Deutschlands Klimaneutralität hinaus. Das Vorhaben widerspricht damit klar den Pariser Klimaschutzzielen. US-LNG wird vornehmlich durch die klima-, umwelt- und menschenrechtsfeindliche Fracking-Methode gewonnen. Die Hauptlast dieser unverantwortlichen Investitionen tragen vor allem einkommensschwache Gemeinschaften und ohnehin diskriminierte Gruppen in den Vereinigten Staaten. Ein Stakeholder-Dialog von deutschen Energieunternehmen und NGOs hat ergeben: LNG – insbesondere Fracking-Gas – weist erhebliche Menschenrechtsrisiken auf.

Gegenantrag des Dachverband Kritische Aktionärinnen und Aktionäre: https://www.kritischeaktionaere.de/enbw/kohleausstieg-wird-zum-fossilen-gaseinstieg-weiterhin-blutkohle-aus-kolumbien-unser-gegenantrag/

Kontakte:

Verena Lasso Mena | wissenschaftliche Mitarbeiterin der Technischen Universität Darmstadt, lassomena@pg.tu-darmstadt.de

Tilman Massa | Co-Geschäftsführer Dachverband der Kritischen Aktionärinnen und Aktionäre, dachverband[at]kritischeaktionaere.de, Telefon: 0221 599 56 47, Mobil: 0173 713 52 37

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